Seit 14 Monaten befindet sich Äthiopien im Bürgerkrieg mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF). Die Rebellen aus der Region an der Grenze zu Eritrea sind unzufrieden mit der Politik des Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Nach seiner Amtsübernahme im April 2018 hob der 43-Jährige den Ausnahmezustand auf, entließ Gefangene und versprach den Kampf gegen Korruption. Damit verlor auch die bis dahin mächtige TPLF an politischem Einfluss.
Noch vor wenigen Wochen standen die tigrinischen Rebellen kurz vor dem Einzug in die Hauptstadt Addis Abeba, jedoch hat sich das Blatt inzwischen entscheidend gewendet. Am 20. Dezember hat die TPLF in einem Brief an den UNO-Generalsekretär Antonio Guterres überraschend eine Waffenruhe und Friedensgespräche angekündigt und versprochen, sich wieder in den Norden zurückzuziehen. Beiden Kriegsparteien werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, der UN-Menschenrechtsrat will dies nun in einer Kommission untersuchen lassen.
„Es gab auf einmal zehn Drohnen am Himmel“
Viele Beobachter:innen führen die plötzliche Wendung in dem Bürgerkrieg auf die Luftwaffe zurück. Das äthiopische Militär verfügt über 22 russische Kampfflugzeuge der Typen MiG-23 und Sukhoi-27 sowie einige Kampfhubschrauber. Entscheidend sollen aber bewaffnete Drohnen gewesen sein, deren Bewaffnung weitaus präzisere Angriffe erlaubt. „Es gab auf einmal zehn Drohnen am Himmel“, hatte der rebellische General Tsadokan Gebretensae der New York Times im Interview bestätigt. Im Schwarm hätten diese Soldaten und Konvois angegriffen.
Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen ausländischen Militär, der über „klare Hinweise“ auf insgesamt 20 Drohnen im Einsatz haben will. Diese könnten demnach unter anderem aus der Türkei kommen. Äthiopien hat mehrere „Bayraktar TB2“ von der türkischen Firma Baykar Makina bestellt. International bekannt wurde die Drohne durch den jüngsten Krieg Aserbeidschans gegen Armenien vor zwei Jahren. Dort soll die „TB2“ zusammen mit unbemannten Luftfahrzeugen aus israelischer Produktion für die plötzliche Kapitulation der armenischen Regierung gesorgt haben. Weltweit könnte dies der erste, mithilfe von Drohnen entschiedene Krieg gewesen sein. Zuvor flog das türkische Militär seit 2016 Angriffe mit der Kampfdrohne in Syrien, im türkischen, syrischen und irakischen Teil Kurdistans sowie im Bürgerkrieg in Libyen.
Allerdings deutet alles darauf hin, dass die „TB2“ in Äthiopien – sofern sie schon geliefert wurden – noch nicht einsatzbereit sind. Das bestätigt auch Wim Zwijnenburg von der niederländischen Friedensorganisation PAX, der die Region mithilfe von Satellitenbildern beobachtet, gegenüber netzpolitik.org. Festlegen will sich Zwijnenburg, der seine Analysen auch bei Bellingcat veröffentlicht, allerdings nicht. Denn es gibt eine mögliche Sichtung vom 6. Oktober, die allerdings zu verschwommen ist, um als belegt zu gelten.
Hochfliegende Drohnen aus China
Vermutlich basiert die militärische Überlegenheit der äthiopischen Armee hauptsächlich auf dem Einsatz von Kampfdrohnen aus China. Das Land verfügt über mehrere „Wing Loong I“, die von der Firma Chengdu hergestellt werden. Die Drohne ist deutlich größer als die türkische „TB2“, sie kann mehr Waffen tragen und auch in größeren Höhen operieren. Dadurch ist sie durch die bodengestützte Luftabwehr weniger angreifbar.
Die Regierung Äthiopiens erhält die „Wing Loong I“ mit anderen Waffen und Munition mutmaßlich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Seit Sommer des vergangenen Jahres haben Flugzeugbeobachter mehr als 100 Frachtflüge aus dem Golfstaat nach Äthiopien identifiziert. Zum äthiopischen Arsenal gehören neben chinesischen Überwachungsdrohnen verschiedener Größen auch unbemannte, fliegende 120-Millimeter-Granatwerfer, die in den Emiraten produziert werden.
Mindestens drei „Wing Loong I“ sollen laut dem Militärblog Oryx im September geliefert worden sein. Ihre Stationierung erfolgt offenbar auf dem Luftwaffenstützpunkt Harar Media, auch ihr Einsatz in der umkämpften Region Tigray ist inzwischen belegt. In einem Interview erklärt der Kommandeur der äthiopischen Luftwaffe vor einem Modell einer „Wing Loong I“, das Land sei in Bezug auf Drohnen sehr gut aufgestellt und plane diesbezüglich für die nächsten zehn Jahre.
Drohnen spielen wichtige Rolle
Die „Wing Loong I“ wird an mindestens sechs Länder verkauft, damit ist sie Chinas wichtigster militärischer unbemannter Exportartikel. Inzwischen wurde sie durch den Nachfolger „Wing Loong II“ ersetzt, der über eine doppelte Waffennutzlast verfügt. Auch diese Drohne könnte in Äthiopien zum Einsatz kommen, das jedenfalls behauptet die Nachrichtenwebseite Al Jazeera, die mehrere Drohnen der neuen Baureihe auf Satellitenbildern erkannt haben will. Wim Zwijnenburg von PAX zieht diese Angabe jedoch in Zweifel.
Neben China und der Türkei liefert auch der Iran Kampfdrohnen an Äthiopien. Darüber hatte Zwijnenburg im August bei Bellingcat berichtet, demnach verfügt die dortige Luftwaffe über mindestens zwei der vergleichsweise jungen „Mohajer-6“. Ihre Serienproduktion soll 2018 begonnen haben, ähnlich wie die türkische „TB2“ kann die taktische Drohne bis zu vier kleine Raketen tragen. Per Satellitensteuerung beträgt ihre Reichweite allerdings bis zu 2.000 Kilometer, das ist etwa das Zehnfache der „TB2“. Im Iran wird die Drohne unter anderem von den Revolutionsgarden und der Armee geflogen.
Sind Kampfdrohnen in Äthiopien also abermals ein Gamechanger, wie es viele Beobachter:innen erstmals im Krieg um Berg-Karabach eingeordnet haben? „Es gibt Hinweise darauf, dass bewaffnete Drohnen bei Angriffen auf Nachschublinien, militärische Stellungen und vorrückende Truppen der Rebellen aus Tigray eine wichtige Rolle spielten“, erklärt Zwijnenburg gegenüber netzpolitik.org. Dennoch bleibe vieles unklar, denn vermutlich waren die iranischen Drohnen nach ihrer Ankunft eine längere Zeit nicht einsatzbereit. Auch die chinesischen Drohnen seien im Sommer 2021 zunächst nur zur Aufklärung eingesetzt worden. Trotzdem seien die „Wing Loong“ und die „Mohajer“ von großer Bedeutung für das äthiopische Militär.
Das neue ist eigentlich WER sich jetzt Luftunterstützung leisten kann, bzw. wie flächendeckend, oder nicht?
Das wird Schule mache, jetzt brauchen wir noch eine low-budget-anti-Drohnen-Luft-Luft-Rakete und eine einfache Trägerplattform, zusätzlich zu der Luft-Luft-Wirkfähigkeit mit den bereits installierten Kalibern (Reicht ein Softwareupdate? Oder muss ein neuer Gimbal her usw.).
Die größeren Drohnen können lange in der Luft bleiben, sind leiser, aber wie sähe das aus, wenn ein Tiger oder ein Warzenschwein vorbeigeguckt hätte? Eine Stunde weniger in der Luft, dafür war der Kampf in Sekunden vorbei? Oder hätte man die von weiter weg gehört und wäre derartig in Deckung gegangen, dass gar kein Kampf stattgefunden hätte? Oder ist das eine Komödie, weil nur keine Flugzeuge geschickt wurden, damit die anderen keine Flugzeuge schicken, und weil die einen Drohnen hatten sind die anderen vor Ort eben mal weggemetzelt worden, so als hätte nur eine Seite Flugzeuge geschickt, oder Panzer, oder …
Nein, ich habe keine Ahnung, frage nur…
Bevor wir hier über Metriken reden, ein kurzer Gedanke: die Rüstungsspirale
Gibt es eine militärische Erfindung, die real zu weniger blutigen Konflikten führt?
Zunächst sollten symmetrische Konflikte bedacht werden, wobei auch Atomwaffen im Grunde nur eine Art von Profiliga etabliert haben, die sich dann mehr oder weniger indirekt immer mal wieder trotzdem noch konventionell beharken.
Bei Atomwaffen, die niemand einsetzen will, kann angeführt werden, dass [die großen?] Atommächte als Ordnungsmächte auftreten. Nimmt man die wirtschaftliche Stabilität der Zivilisation insgesamt, zuzüglich der Flüchtlingszahl als Ausgangspunkt, haben wir allerdings kurzfristig ein Maß für das Versagen von Atomwaffen als Maß der Ordnung. Es gibt sicherlich einige vermeintlich irreale Argumente, wie z.B. dass es kein [kleineres] Land ernsthaft wagen kann, z.B. überall herumzubomben (IS?) oder fiese biologische oder chemische Waffen in großem Maßstab einzusetzen (Fledermäuse?). Realiter sind Atomwaffen asymmetrisch eingesetzt ultimativ billiger als ein WKII-ähnliches Engagement und schont die eigenen Truppen, machen aber eigentlich nicht den strategischen Unterschied für die Angegriffenen, die UN würden so einen Agressor sicherlich auch plattgemacht bekommen.
Tatsächlich wurden die Positionen der Nuklearmächte für Wirtschaftskrieg verwendet, ohne je nachhaltig Stabilität zu erreichen. Aufgrund der asymmetrischen Situation, ist der Anreiz, sich unantastbar zu machen, für andere Länder konkret gegeben. Es wurde also nichts als ein kurzfristiger Vorteil erreicht.
Was werden Drohnen bringen? Der Unterschied ist doch wieder im Asymmetrischen, also gegen Bevölkerung, eigene wie andere, denn jede irgendwie geförderte Miliz wird auch Drohnen oder Abwehrmaßnahmen haben, nur der Bürger soll keine Schutzkleidung bei Demonstrationen tragen. Im symmetrischen Konflikt wird Software und Sensorik auch eine Menge Gewicht haben, was allerdings bei mehereren großen Gegenspielern auf dem Planeten eher nicht zur Entspannung beitragen dürfte. Im Gegensatz zu Atomwaffen, abzüglich des Gefahrenpotentials von Kernkraftwerken, haben die Drohnen ein größeres Potential, in die falschen Hände zu fallen, und für Terroranschläge benutzt zu werden. Terroristen im Sinne von Organisationen sind allerdings kaum in Verlegenheit, Drohnen anderer Leute kapern zu müssen, insofern ist es eher die Fragestellung um sehr kapable Angreifer, Crowdcontrol im Land und False-Flag-operationen. Größeres Risiko als klassische Kampfflugzeuge, bei denen es keine so gute Ausrede dafür gibt, im Inland eine Autobahn oder eine Demonstration beschossen zu haben.
Heißt es also offiziell: „Wir exportieren keine X in Krisengebiete“, mit X:
– Nukleartechnologie.
– Waffen.
– Kampfstoffe jeglicher Art, inklusive Komponenten.
– (…)
– Drohnen.
– Drohnenabwehr.
Was wir hier beobachten, ist jedenfalls kein zivilisatorischer Fortschritt.
Der Krieg in der Ukraine wird’s zeigen. Asymmetrisch-andersherum haben wir dann vielleicht noch als selling point, oder halt auch nicht.
Ich möchte niemandem auf den Schlips treten, aber ich erkenne bei diesem Artikel keinen netzpolitischen Aspekt.
Ich würde gerne verstehen, wie sich netzpolitik.org selbst versteht. Gibt es noch Themen, die für netzpolitik „out of scope“ sind? Wenn ja, welche?
Die Information ist für mich nicht lebensnotwendig, aber wäre für mich aber (als Mensch mit professionellem IT-Hintergrund) hilfreich.
Ich versuche das mal aus meiner Sicht, ich möchte nicht für die gesamte Redaktion sprechen, zu erklären: Netzpolitik.org deckt das Thema Drohnen, Überwachungsdrohnen, Kampfdrohnen, Killer-Roboter, usw. als ein dem Thema Digitalisierung und Menschenrechte verwandtes Thema seit Jahren ab. Wir sind mit hunderten Artikeln zum Thema (https://netzpolitik.org/tag/drohnen/) und vor allem durch die vielen fachkundigen Artikel von Matthias Monroy zu einer Fachpublikation für das Thema Drohnen geworden – auch wenn es nicht im ganz engen Sinn „Netzpolitik“ ist. Es gibt gar nicht so viele Medien, die das in der Detailtiefe abdecken und die Redaktion findet das relevant und wichtig genug, dass wir es tun.
Generell hat sich der Fokus von „Netzpolitik“ geöffnet zum etwas weiteren Themenspektrum „Grund- und Freiheitsrechte in der digitalen Welt“ und es gibt auch immer auch Themen, wie z.B. das Versammlungsrecht oder Polizeigesetze, die nur in Teilen einen digitalen Bezug haben uns aber aus Perspektive der Grund- und Freiheitsrechte so wichtig erscheinen, dass wir sie abdecken.
Ich hoffe, dass ich Deine Frage etwas beantworten konnte.
„Generell hat sich der Fokus von „Netzpolitik“ geöffnet“ Ja, soviel hab ich mir selber schon zusammengereimt. Ich wollte wissen, ob es noch Themen gibt, die netzpolitik.org nicht abdeckt und wenn ja, welche.
Wenn das Kriterium lautet „Wir schreiben über alles, was Grund- und Freiheitsrechte tangiert“, dann umfasst das ja nicht nur Drohneneinsätze in Tigray, sondern auch
– Drohneneinsätze in Afghanistan
– ballernde Cops in Amerika
– in Russland inhaftierte Oppositionelle
– an Israel gelieferte U-Boote
– in Gefängniszellen verbrannte Asylwerber
– in Ägypten totgeprügelte Blogger
– willkürliche Inhaftierungen in der Türkei
– das nordkoreanische Raketenprogramm
– mordende Banden in Mali
– Bolsonaros Umgang mit den Indigenen
– Frauenrechte in Saudi-Arabien
– praktisch alles, was die chinesische Staatsführung zu verantworten hat
– etc. etc. etc. etc.
„Wichtig“ sind diese Themen mMn alle. Aber das wird etwas viel, oder nicht?
Ja, wir hatten schon Artikel über Drohneneinsätze in anderen Ländern als Äthiopien, über Schusswaffen und Polizei, über Russland und Oppositionelle, über Blogger in Ägypten und so einiges, was die chinesische Staatsführung zu verantworten hat. Anderes aus deiner merkwürdigen Liste hatten wir nicht mal im Ansatz.
Was ist denn dein Punkt? Soll es echt eine Liste sein, welche Themen wir nicht abdecken? Also mir fielen da Hunderte ein.
Aber kann es nicht vielleicht sein, dass Technik und Netze schlicht in viele neue Bereiche reinwachsen, in denen sie zuvor keine oder eine untergeordnete Rolle spielten? Warum sollen wir davon nicht einige aufgreifen?
(Und du hast ein zentrales Argument von Markus in deiner Antwort ignoriert, nämlich die intensive Bearbeitung speziell des Drohnenthemas seit Jahren.)
Generell achten wir in der Redaktion darauf, dass Themen einen Digitalbezug haben und das merkst Du ja auch, wenn Du durch die Artikel in ihrer Gesamtheit scrollst. Der Digitalbezug ist schon ein sehr, sehr wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Themen und es werden in der Redaktionskonferenz auch immer wieder Themen abgelehnt, weil der Digitalbezug fehlt.
Das mit der „fachkundigen Fachpublikation“ ist allerdings eher Wunschtraum 8)
Das ist viel Material gesammelt und Quellen verlinkt, d’accord, aber technische oder operative Fachkenntnisse sind offensichtlich kein Schwerpunkt.
Möchtest du deine Anmerkung nochmal konkretisieren? Bedeutet das, du möchtest in den Artikeln mehr technische und operative Details zur Entwicklung und zum Einsatz von Drohnen? Mein Eindruck ist, dass dies in einem journalistischen Format zu schwer verdaulich ist.
Oder meintest du, ich hätte eben diese Details nicht korrekt dargestellt? Dann bitte ich um einen Hinweis.
(Teil-) Autonome Kampfsysteme sind allerdings der Bruder des Bruders von…
Social-Scoring-Algorithmen z.B.?
Die selben Leute, das selbe Öl, das selbe Geld, … ;) …
Mehr Köche, mehr Brei, mehr Terroristen mit Brei… auf der anderen Seite: du mit mehr Daten. Mal sehen wer nicht gewinnt.